Auf der Lutherbuche stand die tausenjährige Eiche mit einer Tafel und folgender Inschrift:
"Als anno 1525
freitags nach Ostern
Dr. Martin Luther
Stolberg besuchte und mit seinem
Freunde Reisenstein auf diesen
Berg spazierte, verglich Er die
Stadt Stolberg gar füglich
mit einem Vogel.
Das Schloß, meinte Er,
wäre der Kopf.
der Markt der Rumpf,
die beiden Gassen die Flügel,
die Niedergasse der Schwanz."
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Wolfgang Knape schreibt in einem Vorwort Historisches zu Bürgern der Stadt Stolberg.
Zitat:
"Nicht vorenthalten möchte ich Ihnen, daß auf dem Grafenschloß um 1724 ein Hofbalbier namens Schnabel auftauchte. Seine Vergangenheit liegt streckenweise im dunkeln. Er soll die Barbierkunst verstanden und die Chirurgie studiert haben, ehe er Prinz Eugen auf den niederländischen Feldzügen begleitete, heißt es. Dieser Mann, mit den Vornamen Johann Gottfried, war kinderreich (was ihm heutzutage allerlei Vergünstigungen eingebracht hätte) und in materieller Hinsicht mies dran, obschon er sich später »Hofagent« und »Kammersecretarius« nannte. Den besseren Verdienst warf wohl noch eine von ihm herausgegebene Zeitung ab, eine »Sammlung neuer und merkwürdiger Weltgeschichte«, die allerdings mal mit dem gräflichen Wappen erscheinen durfte, dann mal wieder ohne, was zweifellos mit dem gestörten Verhältnis zu Gustchens Großvater zu tun hatte.
Der Erbgraf hieß Christoph Ludwig II. und hatte für derartige publizistische Tätigkeit offensichtlich keinen Nerv; Schnabels Unternehmen ging ein.
Ein anderer Ludwig mußte erst kommen, nämlich Tieck, der mit der Wiederentdeckung der in Vergessenheit geratenen »Insel Felsenburg« im Jahre 1828 den runde acht Jahrzehnte zuvor gestorbenen Dichter wieder ins Licht rückte. Zwölf Stolberger Jahre hatte Johann Gottfried Schnabel an dem vierbändigen Werk gearbeitet, dessen erster Teil bereits anno 1731 in Nordhausen erschien. Und bis zum Auftauchen der klassischen Romane blieb seine Robinsonade ein Kassenschlager jener Zeit. Schnabel fand weder in der Stolberger Grafschaft noch sonst irgendwo im Deutschland der zänkischen Kleinstaaten einen großen Romanstoff.
Deshalb erzählte er die »Wunderliche Fata einiger See-Fahrer, absonderlich Albertii Julii, eines geborenen Sachsens«, der achtzehnjährig zur See fuhr, Schiffbruch erlitt und schließlich ein paradiesisches Land entdeckte, wo er sich »daselbst mit seiner Gefährtin verheyrathet«.
Im Gegensatz zu Schnabel fand ein anderer Dichter in Stolberg, was er suchte. Otto Erich Hartleben kam gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts als Referendar an das hiesige Amtsgericht. In seinen humorvollen Geschichten (der Eulenspiegel Verlag gab den »Gastfreien Pastor« mit Ebert-Zeichnungen neu heraus) hat er den Stolbergern ein literarisches Denkmal gesetzt, über das man bis auf den heutigen Tag nicht nur in Stolberg schmunzelt. Zuletzt will ich noch bemerken, daß es ohne Wilhelm von Oranien keine Befreiung der Niederlande und damit keinen Goetheschen Egmont gegeben hätte. Daß dem nicht so ist, verdanken wir zuallererst natürlich Wilhelms Mutter – und Sie werden es nicht glauben wollen –, die war nun wieder eine waschechte Stolbergerin." [Zitat Ende]
Mit freundlicher Genehmigung von
Wolfgang Knape
Ausgabe des VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, DDR, 1981
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