In der Rittergasse befindet sich der Klingelbrunnen mit einer Inschrift für den Wander, der
hier vorbei kommt:
Verweile, o Wanderer, halt kurze Rast,
Trink von der Quelle, du lieber Gast.
Dann kündet draußen dein froher Mund
von Bergen, von Wäldern, vom Wiesengrund.
Und sehnst du dich allzeit mit frohem Blick
zum lieben alten Stolberg zurück,
so lautet die Mär und die Quelle spricht:
Fahr wohl, o Wandrer, vergiss mein nicht!
Wolfgang Knape schreibt in einem Vorwort das Folgende zum Stolberger Hirsch in Stolberg.
Das eigentliche städtische Symbol = der Hirsch
Aus Bären, Luchsen und Wölfen haben sich die alten Stolberger nicht viel gemacht. Das wichtigste Tier war für sie der Hirsch; das ist noch heute so. In manchen Wohnstuben hängen regelrechte Geweihkollektionen an den Wänden, flankiert von Rehbockskronen und aufgeblockten Wildschweinhauern. Und im September, wenn mit gewaltigem Stimmaufwand in den Wäldern der Streit um die Hirschweiber betrieben wird, werden nicht nur die eingeschriebenen Mitglieder des Jagdkollektivs zapplig.
In thüringisch-fränkischer Zeit soll der römische Ritter Otto de Columna von sich reden gemacht haben, als er auf dem »Alten Stolberg« einen schwarzen Hirsch fing und dem Kaiser Justinian zum Geschenk machte. Diese Geste mußte den oströmischen Herrscher so in Rührung versetzt haben, daß er dem Otto spontan »den ganzen Strich und Ort Landes, darauf der Hirsch gefangen, auf etliche Meileweges breit und lang« schenkte. Der Ritter wurde Graf und der schwarze Hirsch sein Wappen – jedenfalls will es eine der Überlieferungen so.
Als an zoologische Gärten noch gar nicht zu denken war, gab es hier schon einen Tiergarten, wovon der Name blieb. Im fünf-zehnten Jahrhundert lebte sogar ein schwarzer Hirsch auf dem Schloß, der – wenn ihm danach zumute war – in die Stadt herunterkam, um besonders vor den Bäckerläden zu randalieren, und erst Ruhe gab, nachdem ihm ein Kuchenstück zwischen die Zähne geschoben war. Die Furcht der Bäcker muß sich von einer Generation auf die andere übertragen haben, denn ich sah sie einen ängstlichen Blick aus dem Ladenfenster werfen. (Vielleicht hatte das aber auch mit der langen Reihe einheimischer und erholungsuchender Brötchenliebhaber zu tun, die es gern hand-geformt und ofenwarm haben.) Das satte Hofleben des Hirsches aber fand – als er einen Jäger niederrannte und der Gräfin im Schloßpark nachstellte – ein frühes Ende.
Mit freundlicher Genehmigung von
Wolfgang Knape
Ausgabe des VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, DDR, 1981
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