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Sammlung historischer Ansichtskarten der Stadt Stolberg (Harz)
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Rathaus ohne Treppen in Stolberg/Harz

Das Rathaus in Stolberg/Harz hat keine Treppen

Wolfgang Knape schreibt in einem Vorwort Historisches zu Bürgern der Stadt Stolberg.

Zitat:

" Brief an einen Kuriositätensammler

Damit das Malheur von Schildau, wo die Ratsherren im Finstren tagten, sich nicht ein zweites Mal wiederholt, haben die Stolberger - auf dass in den Räumen und Köpfen immer Licht sei - ihr Rathaus mit so vielen Fenstern versehen, wie ein Jahr Wochen hat, und in so viele Scheiben unterteilt, wie das Jahr Tage zählt. Dass sie über diesem schwierigen Experiment den Einbau einer Treppe vergaßen, mag dem Stress des Baumeisters zuzurechnen sein. Wer jedenfalls heute vom Marktplatz aus das berühmte Stolberger Haus betritt, wird immer nur bis zur Toilette des Ratskellers, niemals aber zur polizeilichen Meldestelle, zum Bürgermeisterzimmer oder zur Kurverwaltung in die zwei oberen Stockwerke gelangen. Dazu muss er eine Außentreppe benutzen, die neben dem Haus in drei Absätzen ziemlich steil zum Kirchplan hinaufführt. Und wenn ihm dabei eine Frau begegnet, die mit einem Handwagen geradewegs aus dem zweiten Stockwerk kommt, darf ihn das keinesfalls beunruhigen; Holz- und Wagenschuppen befinden sich nun mal an einigen Häusern so hoch.

Damit sind die Rathauswunder längst nicht erschöpft. Eine imposante Sonnenuhr macht seit siebzehnhundertvierundzwanzig nicht nur dem Seiger vom Marktturm Konkurrenz, sie erteilt mit einem merkenswerten Text zugleich auch Ratschläge und historische Auskünfte.

Es heißt in der Übertragung:

»Glückliche Eintracht bleibt: Wenn wir zusammenhalten, wenn Phöbus die Zeiten anzeigt, Minerva die Sprachen und Themis die Bürger die alten Rechte lehrt.«

Im letzten Teil des Originaltextes sind verschiedene Buchstaben vergoldet, und das nicht willkürlich oder aus ästhetischem Beweggrund heraus: »... SI THEMIS et CIVes IVra Vet Vsta DoCet.« Geht man davon aus, dass das M für 1000 steht, das D für 500, gleich zweimal das C für die römische Ziffer 100 erscheint, viermal die römische V und die I vergoldet wurden und beim Zusammenrechnen wahrhaftig das Geburtsjahr der Uhr herauskommt, dann wird man neugierig und sucht weiter. Einer, der sich damit länger beschäftigt hat, meinte: »Wenn man die zwischen M und D (= 1500) liegenden Zahlen
(= 119) von 1500 abzieht, so bleibt 1381 und dann die davor und dahinter stehenden Zahlen (= 101) zu 1381 addiert, so erhält man 1482, das Baujahr des Rathauses vom 1. und 2. Stock. Verfährt man gerade umgekehrt, so erhält man 1500+119=1619-101 = 1518, das ist die Jahreszahl des Beginns der Reformationsbewegung in Stolberg.

Der Platz vorm Rathaus - im Mittelalter wurden dort unter Mitwirkung gräflicher Beamter und Stolberger Bürger geistliche und weltliche Spiele aufgeführt - weist noch einige andere Kuriositäten auf, freilich wenig erfreuliche. So standen hier die Scheiterhaufen für die Ketzer. Allein im April 1454 verbrannte man dreißig Personen, Frauen und Kinder. "

[Zitat Ende]

Mit freundlicher Genehmigung von
Wolfgang Knape

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Ausgabe des VEB F. A. Brockhaus Verlag Leipzig, DDR, 1981

 



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